Sunday, August 10, 2008

Die Stadt ohne Juden


Ein tolles Buch habe ich gelesen: Die Stadt ohne Juden - Ein Roman von übermorgen, von Hugo Bettauer (ein judenstämmiger Journalist und Schriftsteller, der 1925 ermordert wurde). Eine Geschichte, die unter anderen Umständen leider geschehen ist. Im Buch geht es darum, dass die österreichischen Juden durch ein neugewähltes Gesetz von Österreich verwiesen sind, weil sie den Anderen (also den arischen/christlichen Österreichern) überlegen sind. Und zwar, sie beherrschen die Wirtschaft, besitzen Banken, leben im Luxus, kleiden sich modisch, sind erfolgreiche Schriftsteller und schreiben laute echt gute Theaterstücke - sie sind halt überall anwesend und tun es gut. Daweil leiden die christlichen Österreicher drunter und die einzige vernünftige Lösung wird vom Herrn Doktor Schwertfeger, dem Bundeskanzler, hervorgebracht: obwohl er keineswegs antisemitisch ist, behauptet er, dass es den Österreichern endlich besser gehen kann, wenn die Juden nicht mehr in Österreich sind. Was gleich passiert. Alle Juden sind also von Österreich verwiesen, und in den folgenden Seiten erfährt man, wie sich das Leben in Wien ohne Juden weiterentwickelt...
Das Buch wurde 1922 geschrieben, 1924 ist ein Film unter dem selben Namen gedreht worden. Beim Lesen ist mir aufgefallen, dass dieses Buch etwas avantgardistisch ist! In einem Kapitel kann man lesen, als die Politiker im Gedanke haben, Österreich an Deutschland anzuschliessen, dass die Deutschen von einem solchen verschämten Land nicht einmal hören mögen... Wie soll man das verstehen? Ist da ein Witz verschleiert? Hatte Antisemitismus damals in Deutschland die Seelen schon überwuchert, oder ist das wirklich ernst gemeint? Das kann ich selber nicht schätzen.
Die Geschichte geht aber spannend weiter, als der jüdische Verlobte einer in Österreich gebliebenen Österreicherin, der wegen der Verweisung nach Frankreich geflüchtet ist und in Paris Zuflucht gefunden hat, unter einer verfälschten Identität nach Wien zurückkehrt, nicht nur um beisammen mit seiner Verlobten einen Lebensweg zu finden, sondern wirklich um die politische Lage zu erschüttern.
Als er - Leo heißt er, alias Henry - durch die Stadt geht, merkt er sofort, wie sie allenthalben verdorft ist. Die Kaffeehäuser sind alle leer und eine Unmenge davon haben Pleite gemacht. Die Theater haben zugesperrt. Die vorherigen schönen Kleidungsladen bieten nun Dirndlkostüme stattdessen. Kurz gesagt, alles was früher von Wien eine Weltstadt gemacht hatte, ist weg!
Nach und nach kommt aber ein Wirbel von der Bevölkerung, und viele bedauern, dass die Juden gedrängt worden sind, die Stadt zu verlassen. Sie gelten zur Wirtschaft und zum Zusammenleben wie der Sauerteig zum Brot. Und so geht es weiter bis zum friedlichen heiteren Ende, Gott sei dank! Wobei das Ende doch nicht sooo friedlich ist, da das Gesetz knapp abgeschafft wird, wegen der natürlich starken und teilweise antisemitischen Gegner. Es lohnt sich ja, das Buch zu lesen. Im Internet steht es sogar im Ganzen zur Verfügung unter dem Link: http://www.jewish-life.de/stadt/stadtjud.htm. Toda raba bishvil ha sefer!
Noch was hat mich eigentlich geschüttelt... diese Ähnlichkeit... die Ähnlichkeit des Schicksals vom fiktiven Bundeskanzler Schwertfeger und von Hitler. Hatte vielleicht Hitler das Buch gelesen und in seinem Tiefinnersten geschwört, dass er in dem Fall einer Niederlage (die tatsächlich geschah) auch so handeln würde? Die Frage bleibt offen.

Und nun, was soll man von den vielen Türken und Jugoslawien denken, die hier in Österreich leben oder manchmal auch hier Zuflucht gesucht haben, wenn Parteivorsitzende von der FPÖ oder von der BZÖ dasselbe wirre Zeug reden, wie der Schwertfeger im Buch?!!

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